1777 starb die bayerische Linie der Wittelsbacher aus. Nachfolger als Kurfürst in München wurde Carl Theodor aus
der pfälzischen Linie der Wittelsbacher Familie - „Kurpfalz“ mit der Residenzstadt Mannheim. Carl Theodor hatte kein besonderes Interesse am Militär, dennoch leitete er die Reformen unter dem Grafen
Rumford ein, die allerdings nicht mit großem Nachdruck verfolgt wurden.
Bei seinem Tode – er starb schon 1799 kinderlos - wurde sein Vetter Maximilian IV. Joseph aus der Wittelsbacher Linie Zweibrücken-Birkenfeld Kurfürst in München.
Das Deutsche Reich war im Niedergang, mit dem sogenannten Reichsdeputationshauptschluss erfolgte eine Neuordnung der territorialen Gliederung des Reiches. Dabei erhielt das Kurfürstentum Bayern
erhebliche territoriale Zugewinne. Kurfürst Max IV. sah sich veranlasst, dem Rheinbund beizutreten. Durch Napoleons Gnaden wurde Bayern zum Königreich erhoben, der Kurfürst wurde als Max I. Joseph
sein erster König.
Max I. leitete umfangreiche bürgerliche und militärische Reformen ein. Zum militärischen Reformwerk gehörte die Stiftung eines Ordens für Tapferkeit, der Militär- Max-Joseph-Orden. Der Stiftungsakt
erfolgte am 1. März 1806 rückwirkend zum 1. Januar 1806. Das Ordenskreuz trug auf seiner Rückseite als Inschrift die Devise des Ordens „Virtuti Pro Patria“ (Der Tapferkeit für das Vaterland).
Schon 1794 war durch Carl Theodor eine Tapferkeitsauszeichnung für Unteroffiziere und Mannschaften gestiftet worden, ursprünglich mit der Bezeichnung „Militärverdienstmedaille“. Sie wurde in zwei
Stufen „Gold“ und „Silber“ verliehen. Landläufig wurde diese Medaille „Bayerische Tapferkeitsmedaille“ genannt, bis sie am 02. März 1918 diesen Namen auch offiziell erhielt. 1812 stiftete der König
für Sanitätsoffiziere das goldene bzw. silberne „Militär- Sanitäts-Ehrenzeichen“, es wurde durch König Ludwig III. 1914 in „Militär-Sanitäts-Orden“ umbenannt.
Der Militär-Max-Joseph-Orden wurde in drei Stufen verliehen: Das Großkreuz, das Kommandeurkreuz und das
Ritterkreuz. Die Verleihung des Großkreuzes erfolgte nur an Generale, die Verleihung des Kommandeurkreuzes und des Ritterkreuzes nur an Offiziere. Die Verleihung war mit der Zuerkennung des
persönlichen Adels (also nicht des erblichen) „Ritter von…“ (Familienname) verbunden. Die Verleihung dieses Ordens bedeutete in der damaligen Zeit eine unvergleichliche Möglichkeit des sozialen
Aufstiegs.
Ein Offizier, der glaubte, die Auszeichnung verdient zu haben, musste selbst die Aufnahme in den Orden beantragen – eine menschliche Hemmschwelle, da diese Selbstbeantragung manchen davon abhielt,
der sich um die Würdigkeit seiner Tat unsicher war, um die Blamage einer Ablehnung zu vermeiden. Umso wertvoller war folglich die tatsächliche Auszeichnung.
„Die Verleihungsbestimmungen dieses Ordens waren in mehrfacher Hinsicht ungewöhnlich. Zunächst schloss der
Artikel 8 der Statuten die meisten Gründe, die damals….zur Verleihung von Orden führte aus. Er bestimmte, ‚daß niemand, wer er auch immer sei, wegen seiner hohen Geburt, langen Dienste, vor
dem Feind erhaltenen Wunden, noch für weniger aber aus Gnaden und auf das Vorwort (d.h. Fürwort) anderer den Orden erhalte.‘ Es waren vielmehr nach Artikel 9 ‚tapfere Taten‘
erforderlich, ‚die ein Offizier entweder ohne Verantwortung hätte unterlassen können und zum Nutzen der Armee gereichen, oder welche mit außerordentlicher Klugheit oder Mut und Entschlossenheit
zur besonderen Ehre und Vorteil der Armee oder der Truppe ausgeführt worden sind‘. Das „Ordenskapitel“, das über die Aufnahme in den Orden zu befinden hatte, musste außerdem prüfen, ‚ob der
Offizier, um den Orden zu erwerben nicht mit Aufopferung der Mannschaft sein Unternehmen gewagt habe.‘“
Diese Ausführungen über die Ordensverleihung stammen von Oberstleutnant Erwin Heckner, ehemals Lehrer für Wehrgeschichte an der Offiziersschule der Bundeswehr in München und langjähriges
Vorstandsmitglied des Vereins der Freunde des Bayerischen Armeemuseums, anlässlich des Ablebens des letzten Max-Joseph-Ritters Generalmajor a.D. Hubert Maria Ritter von Heigl am 24. Januar 1985. Mit
dem Tode Ritter von Heigls war der Orden erloschen.
Der spätere Leutnant Josef Ritter von Steiner diente im Königlich-Bayerischen 3. Infanterie-Regiment „Prinz Karl
von Bayern“. Das Regiment, ursprünglich ein pfälzisches Regiment wurde ab 1777 in die Kurfürstlich-Bayerische Armee eingegliedert und gehörte zwischen 1806 und 1918 zur Königlich-Bayerischen Armee.
Der Garnisonsort war ab 1806 Augsburg, einzelne Bataillone hatten ihre Garnison zeitweise in anderen Städten, u.a. Kempten und Lindau. Bis zum 02. April 1915 gehörte das Regiment zur 2. Division und
zur 3. Infanterie-Brigade, beide in Friedenszeiten mit ihren Stäben in Augsburg.
Prinz Karl von Bayern (geboren 1795) war der zweitälteste Sohn König Max I. Joseph, sein Bruder war König Ludwig I. Prinz Karl hatte ehrenvoll an den Feldzügen 1813/1815 teilgenommen. 1841 war er zum
Feldmarschall ernannt worden. Ab 1848 nahm er den Dienstposten des „General- Inspektors“ des Königlich-Bayerischen Heeres ein. Er verstarb im August 1875.
Josef Steiner wurde am 24. November 1895 als Sohn des Schäfflermeisters Josef Steiner und seiner Gemahlin Josefa geb. Reiner in Langenreichen bei Wertingen in Schwaben geboren. Nach Absolvierung der Lehrerbildungsanstalt Lauingen/Donau erfolgte am 01. Oktober 1913 der Eintritt in das 3. Infanterie-Regiment „Prinz Karl von Bayern“ als Einjährig-Freiwilliger. Mit diesem Regiment rückte er als Gefreiter 1914 ins Feld. Zum Leutnant der Reserve wurde er befördert am 18. März 1915. Vor seiner Auszeichnung mit den beiden Stufen des Militär-Max-Joseph-Ordens wurde er für seine militärischen Leistungen mit dem Eisernen Kreuz 1. Und 2. Klasse und dem bayerischen Militär-Verdienstorden 4. Klasse mit Krone und Schwertern ausgezeichnet. Ab dem 22.03.1916 führte Leutnant Steiner die 8. Kompanie des Regiments, die in das II. Bataillon eingegliedert war.
Im Juni 1916 gehörte das 3. bay. InfRgt zur 11. bay. Inf Div. Bei der Umgliederung/Erweiterung des bayerischen
Heeres im April 1915 war das 3. InfRgt aus der 2. Division ausgegliedert und der neu aufgestellten 11. Inf Div zugeteilt worden.
Ab dem 13. Juni 1916 war die 11. InfDiv aus dem Raum Le Cateau (Nordfrankreich) in den Osten abtransportiert worden, um die 4. k.u.k Armee zu stabilisieren, die während der sogenannten
„Brussilow-Offensive“ (russischer Oberbefehlshaber) heftigen Angriffen der russischen Armeen ausgesetzt war. Am 17. Juni traf die Division im Raum Kowel (in Galizien) ein. Zunächst traten die beiden
anderen Infanterieregimenter der Division, das 22. bay. InfRgt und das bay. Reserve-InfRgt 13 ins Gefecht. In den folgenden Tagen nahm auch das 3. InfRgt den Kampf auf. Die Kämpfe wogten hin und her.
Am 25. Juni 1916 sahen sich das II. und das III. Bataillon von feindlichen Angriffen hart bedrängt. Dennoch gelang es, sich in der zuvor eroberten feindlichen Stellung zu halten. „Zum glücklichen
Ausgang des Tages hatte vor allem der schneidige Führer der 8./3.b.IR, Leutnant Steiner, beigetragen.“
„Daraufhin trat das II. Bataillon ebenfalls zum Sturm an, blieb jedoch erneut im feindlichen Feuer liegen. Leutnant Steiner eilte in schnellen Sprüngen durch heftiges Feuer zurück zum Bataillon,
raffte dort etliche Schützen einer anderen Kompanie zusammen und führte auch diese an der Spitze mit Hurra stürmend in die feindlichen Gräben. Zurück bei der 8. Kompanie warf er mit zwei Dutzend
seiner Soldaten, die im benachbarten Graben eingedrungenen Russen erneut und wehrte alle weiteren Gegenstöße ab. Es erwies sich, daß die kritische Lage der Division allein durch das kühne Handeln des
Leutnants gemeistert worden war.“ Für diese Tat am 25. Juni 1916 beantragte Leutnant Steiner die Aufnahme in den M.M.J.O..
1917 war die 11. bay. InfDiv wieder an die Westfront verlegt worden. Im Frühjahr 1918 wurde sie in Flandern
eingesetzt. Sie unterstand dem X. dt. Reservekorps.
Am Nachmittag des 15. April 1918 stürmte die 8. Kompanie unter Leutnant Ritter v. Steiner im Rahmen des II. Bataillons des 3. bay. Inf Rgt über den Weiler Westhof angreifend den so genannten
Zwartemolenhoek, eine Anhöhe, auf dem früher wohl eine Mühle stand. Zwartemolenhoek liegt wenige Kilometer nördlich der kleinen Stadt Bailleul im Grenzgebiet zwischen Frankreich und Belgien, oberhalb
der Niederungen des Lys-Flusses. Die erstürmten Stellungen wurden durch Teile der 25. engl. Division (2. engl. Armee) verteidigt. Das 3. Inf Rgt hatte außerordentlich hohe Verluste erlitten und
musste kurz danach aus der Front herausgezogen werden. Im Verlauf des übergeordneten Geschehens wurde am 25. April durch das Alpenkorps (vor allem bay. Inf Leib Rgt) der Kemmelberg in Flandern, etwa
10 Kilometer nördlich von Zwartemolenhoek erstürmt. In der englischen Militärliteratur werden die Kämpfe unter der Bezeichnung „Battle of the Lys“ (4. Ypern-Schlacht) zusammengefasst. In der
deutschen Militärliteratur wurden die übergeordneten Angriffshandlungen mit dem Code-Namen „Georgette“ bezeichnet.
Damit hatte General Ludendorff beabsichtigt, die im März 1918 begonnene Offensive mit dem Code-Namen „Michael“ (Frühjahrsschlacht in Frankreich) nach Norden auszuweiten und mit der 6. bzw. 4. dt.
Armee den Frontbogen von Ypern zum Einsturz zu bringen. Das X. dt. Reservekorps wurde durch die 4. dt. Armee (General Sixt v. Arnim) geführt.
Im Verlauf des Angriffs waren bis zum Abend des 15. April Teile des 3. Inf Rgt hart nördlich Bailleul (zur Ortschaft Haenedries) vorgedrungen. Ritter v. Steiner war gefallen. Mit Wirkung vom 15.
April wurde Steiner als 11. bayerischer Offizier im 1. Weltkrieg mit dem Kommandeurkreuz ausgezeichnet.
Während des 1. Weltkrieges wurden fünf Offiziere mit dem Großkreuz, 14 Offiziere mit dem Kommandeurkreuz und 245
Offiziere mit dem Ritterkreuz ausgezeichnet. Von den mit dem Ritterkreuz ausgezeichneten Offizieren sind ca. 25 Prozent gefallen oder an ihren Verwundungen gestorben.
Träger des Großkreuzes waren beispielsweise Kronprinz Rupprecht von Bayern (Oberbefehlshaber einer Armee, später einer Heeresgruppe) oder General Krafft v. Delmensingen (zum Zeitpunkt der Verleihung
Chef des Stabes der 14. dt. Armee in Italien). Mit dem Kommandeurkreuz wurden u.a. ausgezeichnet General Felix Graf v. Bothmer (Oberbefehlshaber einer Armee), General Ritter v. Tutschek (Kommandeur
des Alpenkorps) oder General v. Stetten (Kommandierender General des II. bay. Armeekorps – siehe die gleichnamige Kaserne im Norden von München).
Josef Ritter von Steiner ist seit der Stiftung des Militär-Max-Joseph-Ordens der einzige Leutnant der bayerischen Armee, der neben dem Ritterkreuz auch das Kommmandeurkreuz dieses höchsten
bayerischen Kriegsordens errungen hat. Er war auch der einzige Träger, der die Auszeichnung posthum erhalten hat.
Zu den Trägern des Ritterkreuzes gehörten so bekannte Führerpersönlichkeiten wie Wilhelm Ritter v. Leeb, Eugen Ritter v. Schobert, Robert Ritter v. Greim oder Wilhelm Ritter v. Thoma, alle hochrangige Generale während des 2. Weltkrieges. Franz Ritter v. Epp schloss sich dem NS-System an und wurde „Reichsstatthalter in Bayern“. Zu den Ordensträgern gehörten prominente Persönlichkeiten wie Wilhelm Ritter v. Schramm (bekannter Historiker), Karl Ritter v. Halt (Präsident des Deutschen Nationalen Olympischen Komitees nach dem Kriege) oder Oskar Ritter v. Niedermayer (Führer der deutschen Afghanistan-Expedition).
Es ist nicht klar, wann Leutnant Steiner das Ritterkreuz des M.M.J.O. erhalten hat. Überlieferte Bilder zeigen ihn mit dem Ritterkreuz an der Uniform. Jan Kube, Vorstandsmitglied im Freundeskreis, und Kunsthändler hat darüber geschrieben: „Die faktische Verleihung des Ritterkreuzes und des Kommandeurkreuzes erfolgte wohl erst am 04.02.1920 und ist mit einem Brief des Generals der Infanterie und Führer der königlich-bayerischen 11. Infanteriedivision Paul Ritter von Kneussl ….. vom 14.02.1920 an den Vater Josef Steiner und dem offiziellen Schreiben des stellvertretenden Großmeisters des Bayer. M.M.J.O. Generaloberst Felix….Graf von Bothmer vom 17.02.1920 bestätigt: ‘Das Ordenskapitel des bayer. Militär-Max-Joseph-Ordens hat sich einstimmig für die Aufnahme Ihres auf dem Felde der Ehre gebliebenen Sohnes, des Leutnants der Reserve Joseph Steiner, Kompanieführer im K. Bayer. 3. Infanterie-Regiment, sowohl in die Klasse der Ritter, wie der Kommandeure des höchsten bayerischen Kriegsordens ausgesprochen. Indem ich als stellvertretender Großmeister dem Kapitelbeschluss meine Bestätigung erteilt habe, ist es mir ein Bedürfnis, Ihnen hiervon persönlich Kenntnis und gleichzeitig meinem aufrichtigsten Bedauern Ausdruck zu geben, daß es Ihrem Heldensohn nicht vergönnt war, sich im Leben dieser in der mehr als hundertjährigen Geschichte des hohen Ordens einzig dastehenden Doppelauszeichnung eines jungen Offiziers zu erfreuen. Ehre sei seinem Angedenken! Gez. Generaloberst Graf Bothmer.‘“
Es ist eine Tatsache, dass durch das NS-System Leutnant Ritter von Steiner und seine Tat für die ideologischen
Zwecke des Nationalsozialismus ausgenutzt worden sind. Bei diesem Missbrauch befindet sich der Leutnant, sarkastisch ausgedrückt, in „guter Gesellschaft“. Ganze Phasen der deutschen Geschichte und
zahlreiche herausgehobene Persönlichkeiten unterlagen dem gleichen Missbrauch. Im Zuge der Säuberung vom Ungeist des niedergerungenen verbrecherischen Regimes wird eine missbrauchte historische Figur
und Symbolik gleich mit entsorgt bzw. negiert, weil sie dem derzeitigen Zeitgeist wieder nicht entspricht.
Der Missbrauch einer Person oder einer Tat wird demjenigen zur Last gelegt, der missbraucht worden ist!
Der Auslöser und die Umstände der Verleihung der Auszeichnung sowie die soeben beschriebenen Sachverhalte rechtfertigen den Erwerb des Ordens allemal, auch wenn das Armeemuseum über zahlreiche
Kommandeurkreuze des Militär-Max-Joseph-Ordens verfügt – selbst wenn der Erwerb ein finanzieller Kraftakt für den Verein war, den dieser nur schwer bewältigen konnte.
Klaus Hammel